Sind nur positive Gefühle gut?
Die Zerissenheit von Gefühlen ist seit ewigen Zeiten ein großes Thema. Schon Goethe schrieb im Faust „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen…“. Doch ob Trennung immer das Richtige ist? Vielleicht geht es auch um Integration und Balance.
Kennst du die Geschichte von den zwei Wölfen?
Ich liebe diese Geschichte – es gibt sie in verschiedenen Variationen. Hier ist meine Lieblingsversion:
Ein Mädchen fragt ihre indianische Großmutter: „Wie kommt es, dass du so glücklich bist, liebe Großmutter? Wie kommt es, dass du weise bist und so geliebt wirst?“
Die Großmutter dachte einen Moment nach und antwortete „ Als ich jung war, entdeckte ich, dass in meinem Herzen zwei Wölfe sind. Ein weißer Wolf voll mit Liebe und ein schwarzer Wolf voll mit Hass. Ebenso entdeckte ich, es hängt alles davon ab, welchen Wolf ich füttere.“
Die Geschichte hat zwei wundervolle Sichtweisen in sich.
1.) Wir alle haben beide Wölfe in uns.
Auch den Wolf mit dem Hass, der Wut, dem Neid, der Gier und der Arroganz, dem Selbstmitleid und der Angst, Aggressionen. Der Wolf ist in jedem von uns – auch in meinem Herzen. Es geht nicht darum, den eigenen persönlichen Wolf des Hasses abzulehnen oder zu verleugnen. Ihn anzuerkennen, ist ein wichtiger Schritt für eine gesunde glückliche Beziehung. Denn wenn wir den Wolf hassen oder versuchen, ihn zu unterdrücken oder gegen ihn ankämpfen, dann wird er am Ende uns beißen und/oder die anderen.
Diese sogenannten negativen Emotionen des schwarzen Wolfes haben durchaus gute Seiten in sich. Wenn du sie unterdrückst, dann passierte das, was Eckhart Tolle als „painbody“ bezeichnet. Es kostete Energie und Kraft, den Deckel auf dem Wolf des Hasses zu halten. Das ist ungefähr so wie, wenn Du 1000 € benötigst und Du die immer zur Verfügung hast. Mit der verschlossenen Emotion zahlst Du von den 1000 € gleich 400€ an den unterdrückten Wolf und schwupp, musst Du mehr erwirtschaften.
Ohne diese Emotionen besteht die Gefahr
- dass die Gefühle abstumpfen (gefühlstaub)
- depressiv zu werden
- co-abhängig zu werden
- die eigenenGrenzen zu verlieren
- den eigenen Magnetismus, das Strahlen zu zerstören
Wir haben eine große Bandbreite von Emotionen – von höchster Glückseligkeit bis zum tiefsten Wahnsinn. Wir wechseln häufig und manchmal auch sehr schnell die Emotionen, selten bis von der Spitze bis zum tiefsten Punkt – doch sie bleiben nicht den ganzen Tag gleich. Durch unsere Erziehung, durch unser Umfeld, durch unsere Erfahrungen haben wir die Emotionen in positive und negative eingeteilt. Schmerz, Trauer und Angst sind gesellschaftlich akzeptierte Emotionen, für Wut, Neid, Gier, Arroganz ist oft kein bewusster Platz.
Studien zeigen, dass die Amygdala eine vermehrte Aktivität im Gehirn zeigt, wenn du eine negative Emotion erlebst. Die Amygdala wiederum aktiviert den Hypothalamus und der Angriff-Flucht-Modus wird eingeschaltet. Durch das Benennen der Emotion wird die Aktivität in der Amygdala reduziert und gleichzeitig die Aktivität im rechten präfrontalen Cortex erhöht– die Region im Gehirn, die Gedanken und Emotionen verarbeitet. Ebenso ist dieser Bereich des Gehirns bei der Problemlösung aktiv.
Es gehört zu meinen Lieblingsaufgaben beim Coaching – diese sogenannten negativen Emotionen mit Freude zu verbinden und ihnen die Schwere zu nehmen. Dann gelingt eine Kommunikation über Verletzungen, Wut und Traurigkeit mit dem Partner, so dass man gehört, gefühlt und gesehen wird. Ohne den Partner in eine Angriff- oder Verteidungsposition zu bringen.
2.) Welchen Wolf fütterst du?
Eine spannende Frage! Der schwarze Wolf hat auch gute Seiten – Beharrlichkeit, Mut, Furchtlosigkeit, Willensstärke und großes intutives Gespür, Aspekte, die Du brauchst in Zeiten, wo der weiße Wolf nicht weiter weiß, denn er hat auch seine Schwächen. Es geht darum, die Balance zwischen den beiden Wölfen zu finden – keinen Kampf im Inneren entstehen zu lassen. Dein Leben wird davon bestimmt, wie du mit deinen gegnerischen Kräften umgehst. Lass nicht den einen oder anderen verhungern, füttere sie beide und beide gewinnen.
Du kannst jede Situation aus den Augen des weißen und des schwarzen Wolfes betrachten. In dir liegt die Entscheidung – wie du Situationen bewertest. Die Gefühle entstehen dadurch, wie wir die Situation bewerten, in der wir uns gerade befinden, und durch die Gedanken dazu. Ich kann mich ärgern, wenn mein Partner zu spät kommt – ich kann genauso gut, entspannt sein und die Zeit genießen. Eine gute Partnerschaft fördert nicht nur, sie fordert dich auch heraus. Dein Partner ist nicht nur dafür da, dich zu unterstützen. Nein, auch dich zu hinterfragen – deine Knöpfe zu drücken. Auch hier gilt es die Balance zwischen dem weißen und schwarzen Wolf zu finden. Und jetzt die Gretchenfrage: Welchen Wolf fütterst du? 😉
Ich freue mich auf deine Gedanken und Kommentare! Wie entscheidest du dich?
Bild: fotolia ©Katrina Brown