Vergeben verzeihen

Vergebung

Ich habe mich in den letzten Tagen intensiv mit Vergebung beschäftigt, einerseits weil mich ein Mitglied aus meiner Membership ButterflyBlossom es sich als Thema gewünscht hat, andererseits weil es gerade auch aktuell ein Thema in meinem Leben ist.

Oft wird erzählt, dass wenn man jemanden vergibt, es auch oder vor allem es für sich tut und auch endlich Frieden findet. 

Super… zack… ich vergebe dir und schon ist wieder alles in meinem Leben Friede, Freude, Eierkuchen.

PUSTEKUCHEN! 

Grundsätzlich bin ich kein nachtragender Mensch und auch noch mit einem sagenhaften löchrigem Kurzzeitgedächtnis ausgestattet für solche Sachen. Aber es gibt gewisse rote Linien, wenn die überschritten sind… dann denk ich oder sage ich, das verzeihe ich dir so schnell nicht oder auch das kann ich dir gar nicht verzeihen.

Apropos gibt es einen Unterschied zwischen VERGEBEN und VERZEIHEN? 

Ver-geben: Vergeben hat etwas mit “geben” zu tun, also mit “Gabe”. Man kann das Wort auch in völlig anderem Kontext nutzen, etwa “Ein Stipendium vergeben”. Es geht also darum, dass jemand etwas erhält. In diesem Fall erhält jemand, der irgendetwas falsch gemacht hat, den Erlass seiner Schuld.

Ver-zeihen: “zeihen” ist eine alte Bezeichnung für “beschuldigen”. Verzeihen bedeutet demnach das Gegenteil einer Beschuldigung. Eine Anklage oder Bezichtigung wird zurückgezogen.

Interessant oder? Ich verzeihe dir, dass du xy getan hast – bedeutet simpel, ich werde es dir nicht mehr vorwerfen. 

Vergeben ist dann schon das Geschenk oder die Krönung, ich erlasse dir die Schuld. 

Das sind schon zwei verschiedene Paar Schuhe. 

Und vielleicht magst du drüber nachdenken, ob du verzeihen oder vergeben möchtest?

Aber zurück zum Friede, Freude, Eierkuchen. 

So easypeasy geht das manchmal nicht. Da sind eine Menge Emotionen im Spiel: Wut, Traurigkeit, Zorn, Schuld, Scham, Groll. Das fühlt man nicht so gerne und verdrängt es auch gerne. Man schiebt es weiter, projeziert es auf andere, vergrößert es, redet ständig drüber, grübelt… aber fühlen will man das alles nicht. 

Verstehe ich so gut. Und deswegen ist es auch nicht so einfach mit der Vergebung. Ohne fühlen, ohne sich dem Schmerz zu stellen ist es nur oberflächlich und unecht. Es rumort immer noch in dir – selbst wenn die Geschichte schon einen langen Bart hat. 

Erkenne an, was passiert ist.

Verdränge es nicht – stell dich den Dingen und nimm erstmal an, was passiert ist.

Ja, es ist scheiße.

Ja, es ist blöd, dass jemand dir das angetan hat.

Aber du kannst es nicht rückgängig machen – es ist passiert.

Setz dich mit den Emotionen auseinander. 

Und du wirst entdecken, wenn du alle die Emotionen gegenüber der Situation, der anderen Person angesehen hast und gefühlt hast. 

Da ist noch kein ENDE. 

F*ck. Denn jetzt geht es um dich. Und deine Gedanken und deine Emotionen zu dieser Situation und hier kommt der Knackpunkt. 

Wenn du dir selbst vergeben kannst, dann ist der Drops mit dem Gegenüber schon längst gelutscht. 

Es sind solche Gedanken: 

Wieso habe ich das nicht kommen gesehen? 

Wieso habe ich nicht besser reagiert? 

Wie habe ich mir das gefallen lassen können? Usw. du kennst ja deine eigene Gedankenschleife besser.

Scham, Selbstzweifel, Selbstvorwürfe, Ärger, Wut auf sich selbst usw. kommen hoch. 

Hätte, hätte, Fahrradkette – es hilft nix aber auch gar rein nix immer wieder die Schleife durchzuspielen und zu überlegen, wie man es hätte vermeiden können oder wie man besser reagieren hätte können.

Ja, es schmerzt und tut auch sauweh. Doch du kannst dich entscheiden, wie lange soll noch dieser Stachel in dir sitzen und piksen. Es ist okay, wenn du jetzt noch nicht bereit bist. Es geht nicht um heute, morgen oder die nächsten Tage. Es braucht auch Zeit, um zu heilen und um bereit zu sein, alles fühlen zu wollen und zu können. 

Am Anfang ist es überwältigend. Überflutend von Emotionen und Gedanken. Da ist es so gar gut, wenn du erstmal vor Wut schnaubst und den Dampf auf deine Art und Weise ablassen kannst (ich meine jetzt nicht, mit Schlägen oder Beschimpfungen ..sondern eine Runde laufen gehen … im Wald schreien oder bei der besten Freundin auskotzen). 

Doch wenn sich der erste Sturm oder vielleicht auch der zweite oder dritte Sturm (ich brauche immer ein paar Stürme, aber es werden weniger) … und manchmal braucht es auch Jahre, bis scheinbar Gras über die Sache gewachsen ist und erkennst, DU spürst immer noch diesen Stachel in dir. Da sind immer noch alte Gefühle, die sich tief in dein Herz gebohrt haben und sich immer weiter bohren. Während die andere Person vielleicht sich schon gar nicht mehr erinnern kann, was damals war. Maybe – reine Spekulation. Doch es ist eine Möglichkeit. Und wer weiß, wir sind ja nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Vielleicht geht es jemanden anderen mit einer Situation mit dir auch so und du hast die Situation ganz anders wahrgenommen und längst vergessen. 

You never know. 

Du siehst schon längst, worauf ich hinaus möchte.

Vergebung ist kein selbstloser Akt, sondern ein Akt der Selbstfürsorge! 

Und es ist daher völlig irrelevant, was mit der anderen Person ist, ob sie einsieht, was passiert ist, ob sie ihr vermeintliches Unrecht erkennt. Es ist SCHNURZEPIEPEGAL!

Du ziehst dir endlich selbst den Stachel für DICH… ganz allein für dich! Und zwar in dem du dir erstmal und endlich selbst vergibst und auch dem anderen. 

Und dann ist endlich Ruhe. 

Du hast es geschafft und das war kein leichter Weg. Sei stolz auf dich und feiere dich. 

Ich bin auf jeden Fall stolz auf dich und ich bin auch jedes Mal stolz auf mich, wenn ich es geschafft habe. 

Zum Schluß noch eine kleine Anmerkung.

Sie mag jetzt irritieren, doch du wirst sie verstehen, wenn du durch den Prozess durchgegangen ist.

Es ist nicht wirklich notwendig, dem anderen zu vergeben.

Manchmal wird es gar nicht mehr relevant für dich sein,

weil du einfach im Frieden bist mit dir.

Und das ist doch alles, was zählt!

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